Redebeiträge Archive - feminism unlimited /category/redebeitraege/ Für universelle feministische Solidarität. Gegen selektiven Feminismus. Mon, 25 Mar 2024 17:34:39 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.1 /wp-content/uploads/2024/02/cropped-favicon-1-32x32.png Redebeiträge Archive - feminism unlimited /category/redebeitraege/ 32 32 Redebeitrag: Gruppe Vitka /redebeitrag-gruppe-vitka/ Fri, 08 Mar 2024 18:51:19 +0000 /?p=399 Für den Feminismus – gegen jeden Antisemitismus! Vor Oktober letzten Jahres hätten wir nicht für denkbar gehalten, dass gewisse feministische Mindestforderungen einfach so über Bord geworfen würden. Eine dieser Mindestforderungen lautet: Glaubt den Betroffenen. Eine andere: Unterstützt die Betroffenen. Das Versprechen, an der Seite von Opfern sexueller Gewalt zu stehen, wurde in den vergangenen fünf […]

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Für den Feminismus – gegen jeden Antisemitismus!

Vor Oktober letzten Jahres hätten wir nicht für denkbar gehalten, dass gewisse feministische Mindestforderungen einfach so über Bord geworfen würden. Eine dieser Mindestforderungen lautet: Glaubt den Betroffenen. Eine andere: Unterstützt die Betroffenen. Das Versprechen, an der Seite von Opfern sexueller Gewalt zu stehen, wurde in den vergangenen fünf Monaten hundertfach gebrochen – und das ausgerechnet von feministischen Organisationen, Gruppen und Aktivist*innen. Genau wegen dieser Empathielosigkeit, der fehlenden Solidarität und der Verklärung des antisemitischen Terrors als Befreiungskampf sind wir heute hier. 

Denn das, was am 7. Oktober im Süden Israels passiert ist, war ein massenhafter Femizid, es war die massenhafte Anwendung sexueller Gewalt, Misshandlung, Entstellung und Folter. An diesem Shabbat schossen Hamas und Islamischer Jihad 3.000 von Iran finanzierte Raketen auf Israel, sie drangen in Dörfer und Kibbuzim ein, brannten ganze Orte nieder, ermordeten 1145 Menschen und verschleppten 253 Menschen in den Gaza-Streifen. Sie misshandelten und ermordeten Menschen jeden Alters, sie vergewaltigten zahlreiche Frauen und, wie mittlerweile bekannt ist, auch einige Männer. In den Straßen Gazas stellten sie die nackten und misshandelten Körper von Frauen als Kriegstrophäen zur Schau. Ihre Taten dokumentierten die Terroristen selbst mit High Tech-Body Cams. Sie sind also nicht nur forensisch, medizinisch und behördlich nachgewiesen, sondern wurden von den Tätern selbst hundertfach aufgezeichnet und verbreitet. Frauen waren nicht zufällig, weil sie eben da waren, Opfer des Pogroms am 7. Oktober, sondern weil sie ein besonderes Feindbild in der verschränkten antisemitischen und misogynen Ideologie der Islamisten darstellen. 

Es ist unerträglich.

Und umso unerträglicher ist es, dass sich kurz nach dem antisemitischen Pogrom und auch heute am 8. März, allen Ernstes feministische Gruppen hinstellen und ihren antisemitischen Wahn verbreiten. Da sind die einen, die die Taten der Hamas am 7. Oktober in antisemitischer Manier leugnen – und das trotz der Beweise, die die islamistischen Terroristen ja sogar selbst in die Welt hinausgeschossen haben. Sie behaupten, es gebe keine glaubhaften Belege, dass all das nur israelische Propaganda gewesen sei und sich schließlich keine der Betroffenen selbst zu Wort gemeldet hätte – als wäre das der Maßstab, den sie in jedem anderen Kontext für Opfer solcher Misshandlungen anlegen würden. 

Und dann sind da diejenigen, die von einem vermeintlichen Kontext sprechen, in dem sie Vergewaltigung, Mord und Verschleppung als legitimen Widerstand verklären können. Sie machen sich noch nicht einmal die Mühe, ihre Freude über die angebliche nun praktisch gewordene Dekolonisierung zu verbergen – im Gegenteil. Sie kumpeln mit islamistischen Terrororganisationen.

Wir kennen diese Debatten, diese Ausschlüsse, diese Entwertungen feministischer Grundsätze seit Jahren – und immer, wenn wir Antisemitismus kritisiert haben, galten wir als Nestbeschmutzerinnen. Nach dem 7. Oktober stehen wir diesen Gruppen, Aktivistinnen, Organisationen unversöhnlich gegenüber: Wir wollen nie wieder etwas mit ihnen zu tun haben. Eine feministische Solidarität, die höchstens selektiv funktioniert und die ganz bewusst Jüdinnen und Israelinnen ausschließt, ist nichts wert. Und wenn genau diese Feministinnen dann »Jîn Jihan Azadi!« rufen, dann lasst uns nicht vergessen, wie sie diese Parole entwerten und hijacken, wenn sie islamistische Unterdrückung an anderen Orten ignorieren, leugnen und relativieren. 

Wir kämpfen für einen Feminismus, der die Befreiung aller Frauen und Queers will, der keine Ruhe gibt, solange unsere Schwestern unterdrückt werden. Und wir werden auch keine Ruhe geben, solange die Menschen, die am 7. Oktober verschleppt wurden, nicht nach Hause zurückkehren. 

Liri Elbag, Carina Ariav, Noa Argamani, Emily Damari, es ist unerträglich, dass diese Kämpfe auf Eurem Rücken ausgetragen werden.

Wir hoffen, dass ihr bald nach Hause kommen könnt, Amit Buskila, Agam Berger und Romi Gonen. 

Wir stehen hier auch für dich, Shiri Bibas – für Dich und Deine gesamte Familie, besonders Deine beiden Kinder Ariel und Kfir. 

Carmel Gat, Eden Yerushalmi, Doron Steinbrecher – wir glauben Euch. Wir sehen Euch.

Wir kämpfen für einen Feminismus, der Euch nicht vergisst, Arbel Yahud, Danielle Gilboa und Naama Levi. 

Momentan sind noch immer 19 Frauen, zwei Kinder und 120 Männer in Gaza gefangen. Sie müssen unbedingt nach Hause kommen. Bring them home now!

Lasst uns heute für einen Feminismus auf die Straße gehen, der es wert ist. Gegen jeden Antisemitismus! Nieder mit der Hamas und den islamistischen Terrorbanden! Nieder mit dem Patriarchat! 

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Redebeitrag: Sharon Adler /redebeitrag-sharon-adler/ Fri, 08 Mar 2024 18:48:25 +0000 /?p=397 Triggerwarnung: Dieser Beitrag thematisiert Gewalt. Insbesondere enthält er einen Absatz mit drastischen Beschreibungen sexualisierter Gewalt. Heute ist der 8. März. Der Internationale Frauentag. Ein Tag, auf den ich mich sonst immer gefreut habe, vor allem, seit wir es erreichen konnten, dass er als ein Feiertag in Berlin anerkannt wurde. Nicht 2024. Für mich ist heute […]

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Triggerwarnung: Dieser Beitrag thematisiert Gewalt. Insbesondere enthält er einen Absatz mit drastischen Beschreibungen sexualisierter Gewalt.

Heute ist der 8. März. Der Internationale Frauentag. Ein Tag, auf den ich mich sonst immer gefreut habe, vor allem, seit wir es erreichen konnten, dass er als ein Feiertag in Berlin anerkannt wurde.

Nicht 2024. Für mich ist heute der 7. Oktober 2023. Denn für mich ist seit dem 7. Oktober 2023 die Welt eine andere, die Welt in Israel, der jüdischen Community weltweit. 1200 Menschen wurden gefoltert, erniedrigt, ermordet, 240 verschleppt, darunter ein Baby, Kleinkinder, Alte, Kranke.

5 Monate sind seit dem 7. Oktober vergangen und täglich erfahren wir mehr Details darüber, wie und wo die Menschen ermordet wurden, davon, wie sie verzweifelt versucht haben, sich und andere zu retten. Diese Verbrechen, aber auch die Leben und Träume der Menschen vor dem 7. Oktober dürfen nicht vergessen werden!

Der 7. Oktober war ein Verbrechen gegen Jüdinnen und Juden, und ganz gezielt gegen Frauen und Mädchen. Tag für Tag erfahren wir in den Testimonials der Überlebenden, der wenigen Freigelassenen mehr und mehr grausame Details.

Wir erfahren von den Frauen und Mädchen, die so lange von Mehreren vergewaltigt wurden, bis ihre Becken brachen, deren Genitalien, Brüste, Gesichter verstümmelt wurden, von schwangeren Frauen, denen der Bauch aufgeschnitten wurde, ihr Kind an der Nabelschnur erschossen wurde. Wir wissen davon, dass die Terroristen und ihre Unterstützer gezielt die Frauen und Mädchen erniedrigen wollten – oft vor den Augen ihrer Familie, Partner*innen, als ein Zeichen der Macht von Männern über Frauen.

„Believe the victim“ ist das Credo des Feminismus.

Seit dem 7. Oktober habe ich auf ein Zeichen der Frauenorganisationen und führenden Feminist*innen gewartet, dass sie die sexualisierte Gewalt gegen die Frauen in Israel thematisierten, anerkannten, verurteilten. Als Journalistin, als Herausgeberin der AVIVA-Berlin habe ich am 25. November 2023, dem Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen, jede einzelne eingehende Pressemitteilung nach einem Wort, einem Zeichen der Solidarität oder auch nur Anteilnahme zum 7. Oktober gesucht. Vergeblich. Es gab keins. Weder von UN Women, noch von Terre des Femmes, auch nicht von medica mondiale.

Es gab nicht nur kein Zeichen, es gab auch etwas, das beinah genauso schockierend ist, für mich, für die jüdische Community, für jüdische Feminist*innen: Denial, Verleugnung. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass antisemitische Codes auch in sogenannten queerfeministischen und linken Kreisen Bestand haben, da hieß es gern, „wir haben keine Beweise“ und „sie haben die Vergewaltigungen ja möglicherweise nur erfunden“

Was ich vor allem erlebt habe, war und ist eine Entsolidarisierung von den Opfern, eine Entsolidarisierung mit Jüdinnen, mit Israelinnen.

Dieses Schweigen und Verschweigen ist – für mich – eine absolute Bankrotterklärung des Feminismus.

#BelieveIsraeliWomen.

Die Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, brauchte zwei lange Monate lang die Beweise von sexueller Gewalt anzuerkennen, die von der Hamas und palästinensischen Zivilisten aus Gaza während des Massakers begangen wurden. Beweise, die ihr vorlagen, denn die Täter haben ihre Taten gefilmt. Erst nach 150 Tagen und nur auf Druck von jüdischen und israelischen Menschrechtsabgeordneten hat sie nun endlich öffentlich erklärt: „Clear and convincing information that hostages in Gaza subjected to sexual violence“

Rape is rape. Gewalt gegen Frauen ist ein Verbrechen. Ich frage: Passt das Leid der Israelinnen nicht in die Narrative feministischer Organisationen? Sind jüdische Opfer sexualisierter Gewalt weniger wert?

#MeToo_UNless_UR_a_Jew!

Ich rufe auf zur Teilnahme an den Social-Media-Kampagnen, macht die sexualisierte Gewalt sichtbar, stellt euch an die Seite der Frauen.

Während wir hier stehen und während sich auch nichtjüdische Feminist*innen hier solidarisieren, sind noch immer 14 Frauen und Mädchen in der Gewalt von Vergewaltigern sind, die, while we speak, permanenter sexueller Gewalt ausgesetzt sind.

Bring them home now!

In diesem Jahr gibt es für mich nur einen einzigen Grund, den Internationalen Frauentag zu begehen. Die Freilassung der Verschleppten zu fordern.

Vierzehn der 19 genannten Frauen sind vermutlich noch am Leben, während fünf Frauen bekanntermaßen in der Gefangenschaft getötet wurden. Say their names:

Naama, Judy, Noa, Romi, Arbel, Carmel, Maya, Eden, Inbar, Doron, Liri, Daniela, Shiri, Shani, Karina, Amit, Agam, Ofra, Emily.

BRING THEM HOME NOW. Bring Back our GIRLS! BRING THEM HOME NOW

Stellt euch weiterhin an unsere Seite, hängt die Poster der gekidnappten Menschen auf, stellt euch an die Seite der jüdischen Feminist*innen!

Danke an euch alle, dass ihr heute hier seid, danke an die Veranstalter*innen, danke an das Bündnis FEMINISM UNLIMITED!

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Redebeitrag: Hengameh Yaghoobifarah /redebeitrag-hengameh-yaghoobifarah/ Fri, 08 Mar 2024 17:51:26 +0000 /?p=391 Am heutigen feministischen Kampftag möchte ich über queerfeministische Ansprüche und Realität seit dem 7. Oktober sprechen. Wie in allen politischen Szenen gibt es auch in der queerfeministischen ein Problem mit Antisemitismus – zum einen, weil sie Teil einer antisemitischen Gesellschaft ist, aber auch, weil es einige spezifische Leerstellen in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus gibt. Kritik […]

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Am heutigen feministischen Kampftag möchte ich über queerfeministische Ansprüche und Realität seit dem 7. Oktober sprechen.

Wie in allen politischen Szenen gibt es auch in der queerfeministischen ein Problem mit Antisemitismus – zum einen, weil sie Teil einer antisemitischen Gesellschaft ist, aber auch, weil es einige spezifische Leerstellen in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus gibt. Kritik an diesen Zuständen wird seit vielen Jahren formuliert – mal polemisch, mal solidarisch. Mal konstruktiv, mal gehässig. Der Austausch zwischen antisemitismuskritischen und queerfeministischen Linken hat sich in der Vergangenheit oft als schwierig erwiesen, doch vor allem jüdische queere Feminist_innen haben konstruktive und solidarische Kritik formuliert, wie etwa die Gruppe latkes*Berlin, der Verein keshet, das Jüdische Revolutionskommitee, die Autorinnen Judith Coffey und Vivien Laumann mit ihrem Band „Gojnormativität“, oder einzelne aktivistische und publizierende Menschen wie Debora Antmann, Julia Alfandari, Leah Carola Czollek und Gudrun Perko, nur um wenige Beispiele zu nennen. Leider mündeten diese Bemühungen nicht in ein kollektives Verantwortungsgefühl, sich gründlich damit auseinanderzusetzen. Viele Stimmen der queerfeministischen Szene schalteten stattdessen in den Abwehrmodus und versäumten eine hinfällige Aufarbeitung. Die Quittung dessen ist seit dem 7. Oktober, dem Tag des brutalen Massakers der Hamas und dem größten Angriff auf jüdisches Leben seit der Shoah, und spätestens seit der israelischen Kriegsoffensive, die bisher über 30.000 Menschenleben auf der palästinensischen Seite kostete, unübersehbar. Anstatt sich mit allen zivilen Opfern zu solidarisieren, ist es in vielen queeren Kontexten zu einem antisemitischen Konsens geworden, die blutigen Taten der Hamas, darunter sexualisierte Gewalt und Folter, zu verharmlosen oder gar zu leugnen – im Irrglauben, so habe eine antirassistische Politik auszusehen. Dass Opfer islamistischer Gewalt häufig übersehen werden, ist leider nichts neues – Frauen und Queers in Ländern wie Afghanistan, Iran oder Nigeria werden seit vielen Jahren im Stich gelassen. Doch dass Feminist_innen sich eher mit den Tätern als mit den betroffenen Frauen und Mädchen solidarisieren, markiert eine neue Qualität der selektiven Empathie. Als würde das Anerkennen des Leids von jüdischen und israelischen Frauen in Konkurrenz zum Leid der Palästinenser_innen stehen, die sich seit über 150 Tagen in einer humanitären Katastrophe befinden. Die Lebenssituation der Menschen in Gaza ist so schrecklich, dass jegliche Beschreibung außerhalb meines Vorstellungs- und Sprachvermögens liegt.

Wer in starren Dualitäten denkt und die Welt in schwarz und weiß aufteilt, wird sie nie gänzlich erfassen können. Queerfeminismus hat mir beigebracht, dass binäres Denken aufgebrochen werden muss. Die totalitäre Aufteilung in gut oder böse, in männlich oder weiblich, in Freund_in oder Feind_in dient vor allem den Herrschenden und unterbindet kritisches und komplexes Denken. So habe ich gelernt, dass ein Individuum von einer Sache negativ betroffen sein und gleichzeitig von einer anderen Unterdrückungsform profitieren kann. Doch die Fähigkeit zu abstrahieren und die Gesellschaft mehrdimensional zu analysieren, scheint in Teilen der Szene seit dem 7. Oktober völlig verloren. Diese Entwicklung ist nicht nur anti-intellektuell, sie ist auch verdammt gefährlich.

Wo sonst auf Intersektionen gepocht wird, arbeitet man plötzlich doch lieber mit Single-Issue-Denken. Oder blendet alle Widersprüche aus, die das Weltbild zum Wanken bringen. So verklärt man Jüdinnen_Juden zu weißen Subjekten, sortiert Antisemitismus, wenn überhaupt, als ein Sub-Genre von Rassismus unter und straft all jene, die diese Zustände kritisieren, mit dem Label „antideutsch“ ab. So gehen auf Demos und Events schnell Eintrittsverbote für diese ominösen Antideutschen rum. Auch wenn es schwer ist, einzugrenzen, wer oder was überhaupt antideutsch ist, hat es immer auch berechtigte Kritik an der antideutschen Szene gegeben, insbesondere aus queerfeministischer Perspektive, wenn es um Misogynie, Transfeindlichkeit oder Rassismus ging. Die Art und Weise, wie alles, was antisemitismuskritisch ist, als antideutsch gebasht wird, wirft für mich die Frage auf, ob es nicht spannender wäre, das subversive Potenzial des Begriffs aus antisemitismus- und rassismuskritischer linker Perspektive zu diskutieren, anstatt ihn zu einem Schlagwort zum Erschaffen eines Feindbilds verkürzen zu lassen. Das Motto „Nie wieder Deutschland!“ war in den vergangenen Monaten so aktuell wie lange nicht.

Ehemalige Safer Spaces sind zu Orten des Ausschlusses verkommen, ausgehend von queerfeministischen Communities als eine homogenen Masse, die sich in allem einig ist. Angesichts der stetigen Selbstkritik, Diskussionen und Konflikte innerhalb der queerfeministischen Szene erscheint dies besonders absurd. Eigentlich war die Pauschalisierung dieser Szene ihren konservativen Kritiker_innen vorbehalten und nicht ihren Mitgliedern, doch dieser Vorsatz wurde gebrochen, gleich dazu auch „Glaubt Betroffenen“ und „Tokenisiert nicht die paar Betroffenen, die eurer Meinung sind“ oder die Kritik an White Saviorism.

Ich weigere mich jedoch zu akzeptieren, dass die antisemitische und rassistische Doppelmoral dominieren soll. Antisemitismuskritik muss Teil einer queerfeministischen Praxis sein – nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Grundsätze. Gegen selektive Solidarität und für einen Queerfeminismus, der nicht vor Komplexität zurückschreckt!


Autor_innenseite von Hengameh Yaghoobifarah:
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Hengameh Yaghoobifarah auf Instagram:
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Redebeitrag: Emma /redebeitrag-emma/ Fri, 08 Mar 2024 17:33:47 +0000 /?p=405 Seit ich mich erinnern kann, bin ich Fußball-Fan. Diese Leidenschaft teilen viele Menschen in dieser Stadt, in diesem Land, auf der ganzen Welt. Ein ganz normales Hobby also. Bis zu dem Tag, an dem ich Rollstuhlfahrerin wurde. Denn jetzt war ich nicht mehr nur Fußball-Fan, sondern Fußball-Fan im Rollstuhl. Und das führt schnell zu Problemen. […]

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Seit ich mich erinnern kann, bin ich Fußball-Fan. Diese Leidenschaft teilen viele Menschen in dieser Stadt, in diesem Land, auf der ganzen Welt. Ein ganz normales Hobby also. Bis zu dem Tag, an dem ich Rollstuhlfahrerin wurde. Denn jetzt war ich nicht mehr nur Fußball-Fan, sondern Fußball-Fan im Rollstuhl. Und das führt schnell zu Problemen. Oder besser gesagt: die mangelhafte Barrierefreiheit in deutschen Fußball-Stadien führt zu Problemen. Viele ältere Stadien, in denen vor allem in den unteren Ligen gespielt wird, verfügen kaum oder gar nicht über eine rollstuhlgerechte Ausstattung. Doch selbst in Bundesliga-Stadien ist der Besuch als Rollstuhlfahrerin meistens kein Premium-Erlebnis. Oft ist es auch gar kein Erlebnis, da die Anzahl der Rollstuhlplätze nicht nur sehr gering ist, sondern sogar geringer, als oft durch lokale Vorschriften vorgesehen. Das führt dazu, dass manche Fans jahrelang keine Tickets für ihren Lieblingsvberein bekommen. Ironischerweise zwingt der durch Korruption und andere Mafia-Methoden bekannte europäische Fußballverband UEFA Deutschland dazu, für die dieses Jahr stattfindende Männer-Europameisterschaft die Stadien in puncto Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer_innen aufzurüsten. Statt diese Gelegenheit für einen nachhaltigen Wandel zu nutzen, entscheiden sich viele Stadion-Betreiber_innen aber leider dazu, die zusätzlichen Rollstuhlplätze nur temporär aufzubauen, mit dem erklärten Ziel, diese nach der EM wieder abzubauen.

Dies ist nur eines von vielen Beispielen, das deutlich macht, dass Behinderte in diesem Land Menschen zweiter Klasse sind. Vor über 20 Jahren, im Jahr 2009, nahm Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention an. Ziel dieser Konvention ist es eigentlich, das Leben von behinderten Menschen durch mehr Inklusion und mehr Barrierefreiheit zu verbessern. Es zeigt sich allerdings täglich, dass die Konvention das Papier nicht wert ist, auf dem sie geschrieben wurde. Denn immer noch werden behinderte Kinder in Sonderschulen vom Rest der Schüler_innen abgeschirmt. Noch immer arbeiten Menschen für einen lächerlichen Hungerlohn in Behinderten-Werkstätten. Noch immer baut die Deutsche Bahn Züge mit Stufen. Noch immer müssen behinderte Arbeitnehmer_innen darum kämpfen, ein für sie angepasstes Arbeitsumfeld zu bekommen. Noch immer gibt es in Pflegeeinrichtungen verschiedenste Formen von Gewalt. Noch immer sind unzählige Behörden, Geschäfte, Kinos, und alle anderen erdenklichen Gebäude weder für Blinde, noch für Rollifahrer_innen zugänglich. Noch immer wird Gebärdensprache nicht flächendeckend an Schulen gelehrt und taube/gehörlose Menschen so zur Assimilation in die hörende Gesellschaft gezwungen. All dies sind nur Beispiele und wenn wir uns zusammensetzen würden, würden uns sicher noch tausende mehr einfallen.

Leider werden behinderte Menschen auch aus feministischen und linken Räumen ausgeschlossen. Sei es dadurch, dass Veranstaltungen in nicht rollstuhlgerechten Locations stattfinden oder dass es keine Übersetzung in Gebärdensprache gibt. Es passiert auch oft, dass die Lebensrealitäten von chronisch kranken Menschen nicht ernst genommen werden. Dadurch entstehen unsichtbare Barrieren, die beispielsweise Personen mit Chronic Fatigue oder sozialen Ängsten daran hindern, an Treffen, Veranstaltungen oder Demos teilzunehmen. Auch die teilweise akademische Sprache schließt Menschen aus. Wenn wir Behindertenfeindlichkeit in der Gesellschaft bekämpfen wollen, können wir dies nur tun, wenn wir gleichzeitig auch die Barrieren in unseren eigenen Reihen wahrnehmen, analysieren und versuchen, sie so gut es geht abzubauen. Dies ist keine schlaue Analyse über Behindertenfeindlichkeit, kein Masterplan, wie wir die Gesellschaft und feministische und linke Räume inklusiver und barriereärmer machen können. Dies ist einfach nur eine wütende Anklage einer behinderten Person, die die Schnauze voll hat. Lasst uns gemeinsam über Barrieren und Behindertenfeindlichkeit sprechen und gemeinsam überlegen, wie es besser werden kann. Das ist der erste Schritt. Oder der erste gerollte Meter. Je nachdem.

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Redebeitrag: Latkes*Berlin /redebeitrag-latkesberlin/ Fri, 08 Mar 2024 12:29:21 +0000 /?p=376 Wir freuen uns sehr, heute hier zu sein und diesen Redebeitrag zu halten. Das ist die erste 8. März Demo, auf der wir seit langem sind.  Vielen Dank an die Orgagruppe, die diese Demo organisiert und möglich gemacht hat! In den letzten Jahren haben wir uns auf den meisten feministischen, queeren und linksradikalen Demos nicht […]

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Wir freuen uns sehr, heute hier zu sein und diesen Redebeitrag zu halten. Das ist die erste 8. März Demo, auf der wir seit langem sind.  Vielen Dank an die Orgagruppe, die diese Demo organisiert und möglich gemacht hat!

In den letzten Jahren haben wir uns auf den meisten feministischen, queeren und linksradikalen Demos nicht willkommen gefühlt. Das betrifft nicht nur den 8. März, sondern auch zum Beispiel den Kreuzberger CSD, die Hanau Gedenkdemos, den 1. Mai und viele andere Anlässe. Weil bei allen diesen Demos immer wieder Antisemitismus reproduziert wurde und es keine klare antisemitismuskritische Haltung der Organisator*innen gab. Wir hatten aber auch keine Lust, auf Demos zu gehen, hinter deren Inhalten wir als linksradikale queerfeministische Gruppe nicht stehen. Wir sehen nicht ein, dass wir entweder Antisemitismus in Kauf nehmen, oder mit Liberalen, Konservativen, Terfs, Swerfs oder Rassist*innen demonstrieren müssen! 

Diese unmögliche Situation beschäftigt uns schon seit Jahren, aber seit dem 7. Oktober ist für uns endgültig klar, dass es so nicht weitergehen kann. Antisemitismus wird schon viel zu lange in feministischen und queeren Kontexten reproduziert, ignoriert oder bagatellisiert. Nach dem 7. Oktober hat das alles eine neue Dimension erreicht, die uns komplett fassungslos macht. Das unsolidarische, teilweise explizit terrorverherrlichende Verhalten in feministischen Kontexten, die Empathielosigkeit, mit der Juden_Jüdinnen begegnet wurde, der offen und unverhohlen überall zu Tage tretende Antisemitismus, all das ist kaum auszuhalten. 

Besonders bitter ist es, wenn wir sehen, dass Feminist*innen lieber ihre zentralen Grundsätze über Bord werfen, als mit Jüdinnen solidarisch zu sein. Die unfassbar brutale sexualisierte Gewalt, mit der die Hamas am 7. Oktober Zivilist*innen angegriffen und als Geiseln verschleppt hat, wurde nicht nur von der Hamas selbst live gestreamt, sondern ist  inzwischen vielfach belegt. In Untersuchungen wurde gezeigt, dass systematisch sexualisierte Gewalt eingesetzt wurde. Nicht zuletzt gibt es Berichte von Überlebenden und von freigelassenen Geiseln. Unabhängig von allen anderen politischen Positionierungen müsste klar sein, dass diese Gewalt von Feminist*innen verurteilt werden muss.

Doch stattdessen wird diese Gewalt von einigen Feminist*innen geleugnet und als israelische Propaganda abgetan oder das Massaker der Hamas als legitimer Widerstand verklärt. Ein besonders krasses Beispiel ist die Alliance of internationalist feminists, die ja am 8. März seit Jahren eine Demo organisiert, auf der viele von euch sicherlich in den letzten Jahren waren, wir irgendwann auch, bis der Antisemitismus zu offensichtlich wurde. Die Alliance hat im Dezember ein Statement gepostet, in dem sie die sexualisierte Gewalt am 7. Oktober als Propagandastrategie bezeichnet, also als eine Erfindung Israels, um den sogenannten Genozid in Gaza zu rechtfertigen. 

Betroffenen zuhören, ihr Erleben zentrieren, ihnen die Definitionsmacht zuzugestehen? Fehlanzeige! Feminist*innen wie die Alliance of internationalist feminists opfern ihre eigenen feministischen Grundsätze, um weiter ungehemmt ihren Antisemitismus ausleben zu können. Das macht uns unglaublich wütend!

Eigentlich würden wir Zeit und Räume brauchen, um um die Opfer des 7. Oktober zu trauern, um die Erschütterung dieses Angriffs irgendwie zu verarbeiten, um damit klarzukommen, dass das alles immer noch weitergeht, dass die Hamas immer noch Geiseln in ihrer Gewalt hat, dass die Zahl der Toten und das Leid der Bevölkerung im Gazastreifen von Tag zu Tag zunimmt, und dass alles immer auswegloser und hoffnungsloser erscheint. 

Stattdessen sehen wir uns damit konfrontiert, wie sich in feministischen und linken Kontexten ein hemmungsloser Antisemitismus Bahn bricht und die Bedrohungen zunehmen. Im Alltag müssen wir ständig abwägen: Wo zeigen wir uns wie? Was kann ich auf dem Handy in der Bahn auf Insta anschauen? Über welche Themen in der Öffentlichkeit sprechen? Jüdische Symbole lieber nicht zeigen? Antisemitische Plakate lieber hängen lassen als beim Abreißen erwischt werden? 

Unsichtbarkeit und sich verstecken ist eine transgenerational geprägte kollektive jüdische Erfahrung. Viele Juden_Jüdinnen sind dazu nicht mehr bereit und zugleich schien ein Rückzug ins Private in den letzten Monaten unausweichlich. Trotzdem werden Antisemitismuserfahrungen von Juden_Jüdinnen weggeredet und nicht ernst genommen. Wir mussten uns anhören: man sieht es dir ja nicht an oder du trägst ja keine jüdischen Symbole, dann passiert dir schon nichts. Echte Empathie – Fehlanzeige. Juden_Jüdinnen wird vorgeworfen, dass sie sich unsichtbar machen können. Der Preis, den wir dafür zahlen, interessiert sie nicht. Dass dieses vermeintliche Privileg schon unsere Vorfahren nicht geschützt hat und was die transgenerationale Erfahrung des Versteckens mit uns macht, interessiert sie nicht. 

Viele Linke scheinen nicht in der Lage zu sein, Widersprüche und Gleichzeitigkeiten auszuhalten. Wenn rechte Politiker*innen sich auf Bühnen stellen und ihren Rassismus damit begründen, dass sie jüdisches Leben in Deutschland schützen wollen, ist für uns vollkommen klar, dass es ihnen nicht im geringsten um Juden_Jüdinnen geht. Wir erwarten von Linken, diese Funktionalisierung von Juden_Jüdinnen zu durchschauen. Für uns als linksradikale jüdische Gruppe ist es essenziell, Rassismus, Antisemitismus und Islamismus zusammen zu denken und sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. 

Wir fragen uns: Wieso ist es nicht möglich, gleichzeitig solidarisch zu sein mit jüdischen Opfern eines beispiellosen Massakers und die Opfer des Krieges in Gaza zu betrauern? die Freilassung der Geiseln zu fordern, die Hamas zu verurteilen und die rechte israelische Regierung zu kritisieren? Für uns stellt das keinen Widerspruch dar und wir verstehen nicht, warum das vielen Leuten so schwer fällt. 

Viel zu lange wurde Antisemitismus in feministischen und queeren Kontexten ignoriert und bagatellisiert, um bestehende Bündnisse nicht zu gefährden. Angesichts des sich verschärfenden Rechtsrucks sind diese Bündnisse umso wichtiger, das darf aber nicht auf Kosten von Juden_Jüdinnen geschehen. Spätestens seit dem 7. Oktober ist es so klar wie nie, dass Bündnisse, die Antisemitismus nicht mitdenken, keine Orte für Juden_Jüdinnen sind. Außerdem sollte klar sein, dass die Auseinandersetzung mit Antisemitismus Grundsatz jeder linken Bewegung sein muss. 

Es macht Hoffnung zu sehen, dass gerade verstärkt neue Bündnisse entstehen, die Themen zusammendenken und nicht gegeneinander ausspielen. Wir müssen uns diese Räume zurückholen oder neu schaffen. Diese Demo ist ein super erster Schritt! Aber es ist noch verdammt viel zu tun.

Für einen solidarischen, antisemitismus-, rassismus- und islamismuskritischen 8. März! Für einen intersektionalen Feminismus, der wirklich alle mitdenkt! Für das gute Leben für alle!


Mehr von Latkes*Berlin gibt es unter https://latkesberlin.wordpress.com/

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